Moin, welche Unterschiede gibt es zwischen Wayland und X11 in der Benutzererfahrung? Oder ist nur der technische Unterbau neu? Ich frage mich, ob es "notwendig" ist, auf Wayland zu wechseln oder ob es lediglich das gleiche nur in einer anderen Farbe ist. Ich habe beides mal versucht im Betrieb zu vergleichen, finde aber nicht wirklich Unterschiede. Ich arbeite nur im privaten Umfeld innerhalb meines LAN hinter der Fritz. Irgendwelche Netzwerkgeschichten, die X11 unsicher machen sollen, sind für mich eher nicht entscheidend. Und ein anderes Argument hatte ich noch nicht auf dem Schirm. Gruß Joachim
Am 10.04.23 um 11:03 schrieb Joachim H.:
Moin,
welche Unterschiede gibt es zwischen Wayland und X11 in der Benutzererfahrung? Oder ist nur der technische Unterbau neu?
Ich frage mich, ob es "notwendig" ist, auf Wayland zu wechseln oder ob es lediglich das gleiche nur in einer anderen Farbe ist. Ich habe beides mal versucht im Betrieb zu vergleichen, finde aber nicht wirklich Unterschiede.
Ich arbeite nur im privaten Umfeld innerhalb meines LAN hinter der Fritz. Irgendwelche Netzwerkgeschichten, die X11 unsicher machen sollen, sind für mich eher nicht entscheidend. Und ein anderes Argument hatte ich noch nicht auf dem Schirm.
Wenn dich nicht die Neugier treibt, würde ich abwarten, was die Distribution deiner Wahl als Standard anbietet. Das werden eventuelle Bugs am schnellsten entfernt. Peter
Joachim H. schrieb:
welche Unterschiede gibt es zwischen Wayland und X11 in der Benutzererfahrung? Oder ist nur der technische Unterbau neu?
[Disclaimer: Vorsicht, ich habe meine eigene wie ich meine fundierte Meinung zu X11 und Wayland. Wer das nicht mag, liest bitte lieber nicht weiter.] X11 ist 1984 erschienen, hat also fast 40 Jahre Historie hinter sich. In der schnelllebigen IT-Welt sind das Äonen. Kaum eine Software schafft das. Das X-Protokoll war gut erweiterbar und so hat man über die Jahre immer wieder "evolutionär" neue Sachen dran bauen können, während andere Sachen, sagen wir mal, über die Jahre "verkümmert" sind. Das heutige X11 hat nur noch wenig mit dem von 1984 zu tun, aber hat sich eben aus selbigem über die Jahre entwickelt. Eigentlich funktioniert X11 immer noch sehr gut und es ist auch nicht per se unsicher (außer man erlaubt Fremden Zugriff auf den eigenen X Server). Und die Netzwerk-Transparenz erlaubt nach wie vor (auch auf sicherem Wege) den Remote-Aufruf grafischer Applikationen und zwar "seamless". Das weiß nur leider kaum einer, wie einfach das ist. Und nein, bei normalen Netzwerk-Latenzen und bei korrekt konfigurierten Systemen ist es auch nicht langsam. Die Kritik an X11 richtet sich hauptsächlich an die innere Struktur. Durch die 4 Jahrzehnte Historie sind einige Dinge unnötig kompliziert, heute unverständlich, nicht gradlinig. Insofern ist es legitim, ein neues, moderneres, geradlinigeres System schreiben zu wollen. Ob das mit Wayland gelungen ist, da bin ich mir nicht wirklich sicher. Ich habe Wayland immer mal wieder auf unterschiedlicher Hardware "nativ" ausprobiert, mit meist mäßigem Erfolg. Es läuft allerdings seit langem schon sehr stabil mit dem X11 Backend. :-) Und gar so viele Anwendungen, die nativ unter Wayland laufen, gibt es auch nicht. Die API ist nämlich eine ganz andere. Aber immerhin gibt es XWayland, was es ermöglicht, alle X11-Anwendungen unter Wayland laufen zu lassen. Auch das funktioniert perfekt bei mir: Eine beliebige X11-Anwendung unter XWayland unter Wayland mit dem X11-Backend. Das macht nur irgendwie keinen Sinn. :-) Ja, ich weiß, das X11-Backend von Wayland und XWayland sind eigentlich dafür da, eine weiche Migration zu machen. So ähnlich wie damals bei ALSA und PulseAudio. Und das ist ja auch ein guter Ansatz. Tatsache ist aber auch: Wayland ist mittlerweile auch schon 15 Jahre alt (!) und hat X11 noch nicht wirklich verdrängt. Und mittlerweile wird da auch alles mögliche "drangebaut". Nachdem sich die Wayland-Entwickler lange gesträubt haben, Remote-Wayland-Anwendungen zu ermöglichen, haben sie jetzt auf RDP-Basis (!) sowas in der Art drangebaut. Und noch einiges mehr. Ich maße mir nicht an, abzuschätzen, wo der Weg hin geht. Vielleicht setzt sich Wayland irgendwann doch noch durch, vielleicht bleibt X11 noch weitere 40 Jahre, vielleicht kommt irgendwann ein ganz anderes drittes System, was X11 UND Wayland innerhalb kürzester Zeit verdrängt, weil es einfach ganz genial ist. Ich würde auf keine dieser drei Varianten wetten wollen. Derzeit kann ich jedenfalls keinen Druck erkennen, X11 in den Wind zu schreiben. -- Manfred Härtel, DB3HM mailto:Manfred.Haertel@rz-online.de http://rz-home.de/mhaertel
Kleine Korrektur: XWayland ist ein X-Server der on-top von Wayland läuft als Alternative zu dem reinen Wayland Client. Also genau umgekehrt wie im Text steht. Hier nachzulesen: https://wayland.freedesktop.org/xserver.html Ich fand es immer sehr praktisch ein "zweites Standbein" zu haben, wenn X11 mal aus irgendwelchen Gründen nicht starten wollte. Habe ich aber auch zugegebenermaßen lange nicht mehr benötigt. VG Ralf Am 10.04.23 um 15:08 schrieb Manfred Haertel, DB3HM:
Joachim H. schrieb:
welche Unterschiede gibt es zwischen Wayland und X11 in der Benutzererfahrung? Oder ist nur der technische Unterbau neu?
[Disclaimer: Vorsicht, ich habe meine eigene wie ich meine fundierte Meinung zu X11 und Wayland. Wer das nicht mag, liest bitte lieber nicht weiter.]
X11 ist 1984 erschienen, hat also fast 40 Jahre Historie hinter sich. In der schnelllebigen IT-Welt sind das Äonen. Kaum eine Software schafft das.
Das X-Protokoll war gut erweiterbar und so hat man über die Jahre immer wieder "evolutionär" neue Sachen dran bauen können, während andere Sachen, sagen wir mal, über die Jahre "verkümmert" sind. Das heutige X11 hat nur noch wenig mit dem von 1984 zu tun, aber hat sich eben aus selbigem über die Jahre entwickelt.
Eigentlich funktioniert X11 immer noch sehr gut und es ist auch nicht per se unsicher (außer man erlaubt Fremden Zugriff auf den eigenen X Server). Und die Netzwerk-Transparenz erlaubt nach wie vor (auch auf sicherem Wege) den Remote-Aufruf grafischer Applikationen und zwar "seamless". Das weiß nur leider kaum einer, wie einfach das ist. Und nein, bei normalen Netzwerk-Latenzen und bei korrekt konfigurierten Systemen ist es auch nicht langsam.
Die Kritik an X11 richtet sich hauptsächlich an die innere Struktur. Durch die 4 Jahrzehnte Historie sind einige Dinge unnötig kompliziert, heute unverständlich, nicht gradlinig.
Insofern ist es legitim, ein neues, moderneres, geradlinigeres System schreiben zu wollen.
Ob das mit Wayland gelungen ist, da bin ich mir nicht wirklich sicher. Ich habe Wayland immer mal wieder auf unterschiedlicher Hardware "nativ" ausprobiert, mit meist mäßigem Erfolg. Es läuft allerdings seit langem schon sehr stabil mit dem X11 Backend. :-) Und gar so viele Anwendungen, die nativ unter Wayland laufen, gibt es auch nicht. Die API ist nämlich eine ganz andere. Aber immerhin gibt es XWayland, was es ermöglicht, alle X11-Anwendungen unter Wayland laufen zu lassen. Auch das funktioniert perfekt bei mir: Eine beliebige X11-Anwendung unter XWayland unter Wayland mit dem X11-Backend. Das macht nur irgendwie keinen Sinn. :-)
Ja, ich weiß, das X11-Backend von Wayland und XWayland sind eigentlich dafür da, eine weiche Migration zu machen. So ähnlich wie damals bei ALSA und PulseAudio. Und das ist ja auch ein guter Ansatz.
Tatsache ist aber auch: Wayland ist mittlerweile auch schon 15 Jahre alt (!) und hat X11 noch nicht wirklich verdrängt. Und mittlerweile wird da auch alles mögliche "drangebaut". Nachdem sich die Wayland-Entwickler lange gesträubt haben, Remote-Wayland-Anwendungen zu ermöglichen, haben sie jetzt auf RDP-Basis (!) sowas in der Art drangebaut. Und noch einiges mehr.
Ich maße mir nicht an, abzuschätzen, wo der Weg hin geht. Vielleicht setzt sich Wayland irgendwann doch noch durch, vielleicht bleibt X11 noch weitere 40 Jahre, vielleicht kommt irgendwann ein ganz anderes drittes System, was X11 UND Wayland innerhalb kürzester Zeit verdrängt, weil es einfach ganz genial ist. Ich würde auf keine dieser drei Varianten wetten wollen.
Derzeit kann ich jedenfalls keinen Druck erkennen, X11 in den Wind zu schreiben.
-- ____________________ Dr. Ralf Czekalla Im Weiherhäusel 26 69231 Rauenberg +49 176 23 21 38 37
Ralf Czekalla schrieb:
Kleine Korrektur: XWayland ist ein X-Server der on-top von Wayland läuft als Alternative zu dem reinen Wayland Client. Also genau umgekehrt wie im Text steht.
Nein, genau so habe ich es geschrieben. XWayland ermöglicht es, X11-Applikationen ohne Änderungen unter Wayland laufen zu lassen. Und ja, dazu muss es ein X11-Server sein, mit einem Wayland-Backend. Und das umgekehrte geht auch: Wayland mit einem X11-Backend laufen zu lassen. Dann redet Wayland eben nicht mit mehr direkt mit der Hardware, sondern mit einem (nativen) X-Server. BEIDES habe ich dargestellt. Beides kann man sogar kombinieren und es funktioniert sogar problemlos (bei mir). Es macht nur keinen Sinn. Denn X11-Applikationen unter X11 kann ich auch ohne Wayland betreiben. :-) Und Wayland lief bei mir nativ bislang eben nie sehr gut. -- Manfred Härtel, DB3HM mailto:Manfred.Haertel@rz-online.de http://rz-home.de/mhaertel
Am 10.04.23 um 15:08 schrieb Manfred Haertel, DB3HM:
Nachdem sich die Wayland-Entwickler lange gesträubt haben, Remote-Wayland-Anwendungen zu ermöglichen, haben sie jetzt auf RDP-Basis (!) sowas in der Art drangebaut. Und noch einiges mehr.
Heißt das, man hat _nicht_ von Anfang an vorgehabt, Anwendungen, die auf einem anderen Rechner laufen, nahtlos auf dem eigenen Displayserver darzustellen? Wie es ja unter X11 gang und gäbe ist - für mich seit mittlerweile 30 Jahren - und was meiner Meinung nach auch einen riesigen Vorteil gegenüber dem Windows-Kram darstellt. In dem Fall kann mir der Wayland-Murks gestohlen bleiben... Muss gleich mal nachsehen, ob das hier irgendwo installiert wurde, ohne dass ich es gemerkt habe... -- Viele Grüße Michael
Michael Behrens schrieb:
Am 10.04.23 um 15:08 schrieb Manfred Haertel, DB3HM:
Nachdem sich die Wayland-Entwickler lange gesträubt haben, Remote-Wayland-Anwendungen zu ermöglichen, haben sie jetzt auf RDP-Basis (!) sowas in der Art drangebaut. Und noch einiges mehr.
Heißt das, man hat _nicht_ von Anfang an vorgehabt, Anwendungen, die auf einem anderen Rechner laufen, nahtlos auf dem eigenen Displayserver darzustellen? Wie es ja unter X11 gang und gäbe ist - für mich seit mittlerweile 30 Jahren - und was meiner Meinung nach auch einen riesigen Vorteil gegenüber dem Windows-Kram darstellt.
In dem Fall kann mir der Wayland-Murks gestohlen bleiben...
Genau so ist es und das hat mich auch von Anfang an an Wayland gestört. Da gibt es sogar eine Stellungnahme des Wayland-Entwicklers, die Remote-Darstellung sei "orthogonal" zu seinen Entwicklungszielen. Aber wie gesagt, irgendwann haben sie es dann doch gemacht. Auch für mich ist die Remote-Darstellung von GUI-Anwendungen immer ein großes Plus für X11 gewesen. Ich nutze es auch ständig. Der Fairness halber muss man allerdings auch dazu sagen, dass viele Leute entweder gar nicht wissen, dass X11 so was kann oder aus - für mich oft nicht nachvollziehbaren Gründen (z.B. weil es angeblich extrem langsam wäre, was aber nicht stimmt) - nichts davon halten. Eine riesige Lobby hat dieses Feature heutzutage nicht mehr - außer bei den Leuten, die X11 in den Achtziger und frühen Neunziger Jahren noch auf Unix- oder VMS-Workstations kennen gelernt haben. Die kennen und schätzen das alle. Und wie gesagt, jetzt haben sie was auf RDP-Basis dran gebaut. Ausgerechnet RDP, aus der Windows-Welt. Was aber auch ganz anders "tickt" als ein Protokoll, dass das "Herz" von X11 darstellt und dem es so was von egal ist, ob es über einen Unix-Socket auf einem lokalen Rechner oder über einen TCP-Socket remote läuft. X11-Applikationen laufen natürlich auch mit einem entfernten XWayland. Und mit dem X11-Backend sogar Wayland-Applikationen. Aber das liegt den Wayland-Entwicklern natürlich fern... -- Manfred Härtel, DB3HM mailto:Manfred.Haertel@rz-online.de http://rz-home.de/mhaertel
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