Re: Linux und IPV6 im Heimnetz

Am 08.02.19 um 20:45 schrieb Stephan von Krawczynski:
Du hast mit Deinen Ausführungen bezüglich Firewall und Routing durchaus recht. Dass es auch gute Argumente für NAT gibt, habe ich - siehe oben - sogar ausdrücklich erwähnt, das war aber nicht das Thema. Bei meinem Text ging es rein um die Abschätzung, wie lange der - zugegebenermaßen - endliche Adressraum von IPv6 reichen wird.
Ja, die damalige Adressvergabe von /8 war aus heutiger Sicht extrem großzügig. Da man damals von einer sehr viel geringeren zukünftigen Größe des Netzes ausgegangen ist, ist diese alte Vergabepraxis aber noch irgendwie nachvollziehbar. Viele dieser Bereiche hat man sich in den letzten Jahren ja auch wieder zurückgeholt. Es gibt zwar immer noch große ungenutzte Adressbereiche, aber auch die vollständige Nutzung von IPv4 würde unser Problem nicht lösen. Vier Milliarden IPv4-Adressen gegenüber knapp acht Milliarden Menschen - da ist klar, dass IPv4 nicht mehr reichen kann.
Da dürften wir ungefähr im gleichen Alter sein ;-) Man muss sich vergegenwärtigen, dass man bei der Entwicklung von IPv4 von einer begrenzten Anzahl Computer in Großfirmen, Universitäten usw. ausgegangen ist. An die heutigen Verhältnisse mit mehreren Internet-Anschlüssen pro Person (DSL-/Kabelanschluss daheim, mobile Daten auf dem Handy, vielleicht auch noch ein Laptop mit SIM-Karte (ok, ist wieder seltener geworden, man nutzt eher den Zugang über das Handy mit), dazu Auto mit SIM-Karte usw.) hat man damals nicht gedacht. Ich sehe aber meine Abschätzung durchaus als (zugegeben sehr einfache) "mathematische Grundlage". Selbst bei einer Vergabe von /56 für jeden Anschluss haben wir noch eine Menge Luft: Über neun Millionen /56er Netze für jeden Menschen auf der Erde - da fällt mir im Moment keine noch so verschwenderische Nutzung ein, mit der man das schnell aufbrauchen könnte. Und wir reden hier ja nur von den einem Internet-Anschluss zugeordneten Subnetzen. Wenn man dann noch bedenkt, dass dann hinter einem solchen Anschluss eine gigantische Zahl Endgeräte hängen könnte, so wird ein Einsatzszenario, das diesen Adressraum sprengt, schon recht interessant. Mal ganz abgesehen davon, dass alle diese Geräte ja auch Strom brauchen würden. Selbst bei einem minimalen Stromverbrauch von irgendwelchen IoT-Sensoren kommt man bei einer nennenswerten Belegung des IPv6 Adressraums auf Größenordnungen, die klar zeigen, dass wir diesen Adressraum nicht voll machen können, weil wir die Energie für die ganzen Geräte überhaupt nicht hätten. (Und in absehbarer Zukunft auch nicht haben werden.) Aber Deine Argumentation zielt ja eigentlich auch in eine andere Richtung: Ja, natürlich: Mit einer zu freizügigen Vergabe von großen Netzbereichen könnte auch der Adressraum von IPv6 schnell vergeben sein. Ich denke aber, dass man aus der IPv4-Vergangenheit gelernt hat, und die alten Fehler vermeiden wird. Im Moment habe ich auch nicht den Eindruck, dass die Vergabepraxis übertrieben großzügig ist. Und auch hier muss man sich nochmal klar machen, mit welchen Zahlengrößen wir hier operieren: Selbst bei einer durchgängigen Vergabe von /48er Netzen wären das immer noch über 35.000 Netze für jeden von 8 Milliarden Menschen.
Endliche Resourcen sind endlich. Wann werden Menschen diese Binsenweisheit akzeptieren?
Natürlich ist auch IPv6 endlich. Bei der momentanen Lage reden wir da aber wohl nicht von "ein paar Jahren" oder Jahrzehnten - das wird "etwas" länger dauern.
Billig: Ja. Natürlich sind feste Adresslängen in Hardware einfacher zu behandeln und daher billiger. Dazu kommt als zweites Argument die Arbeitsgeschwindigkeit, die in den Core-Routern eine nicht unwichtige Rolle spielt. Natürlich könnte man sich eine hierarchisch aufgebaute Adressierung variabler Länge vorstellen - ähnlich wie das Domainsystem aber für Routingbereiche - aber man hat die Lösung mit fester Adresslänge vorgezogen. Den Nachteil der Endlichkeit hat man dabei in Kauf genommen - was ich durchaus nachvollziehen kann. Selbst, wenn meine oben durchgeführten Abschätzungen um eine oder zwei Größenordnungen daneben lägen, haben wir mit IPv6 so viel Zeit, dass bis dahin die Technik ganz anders aussehen wird, als wir es uns heute vorstellen können. Daher stört mich die Entscheidung für eine längenbegrenzte und damit endliche Adressierung überhaupt nicht. Aber "unsicher"? Das musst Du mir erklären. Für mich setzt Sicherheit (in den Spielarten Datenintegrität, Vertraulichkeit usw.) auf höheren Netzebenen an. Inwiefern hat die Wahl einer Adressierungsmethode wie IPv6 einen negativen Einfluss auf die Sicherheit? Was würdest Du dir als bessere Alternative vorstellen? Gruß Marcus -- Um die Liste abzubestellen, schicken Sie eine Mail an: opensuse-de+unsubscribe@opensuse.org Um den Listen Administrator zu erreichen, schicken Sie eine Mail an: opensuse-de+owner@opensuse.org
participants (1)
-
Marcus Graf