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Moin, diese Sache ist mir wichtig genug, um allen nochmal auf den Geist zu gehen, um eine Abschlußbetrachtung zu posten. Bitte beachtet bei Antworten die Umleitung. Gleichzeitig wäre ich dankbar für Hinweise auf ein besseres Forum. Es gibt eine Reihe von Aspekten, die Du außer Acht läßt. Von diesen Aspekten liegen einige deutlich innerhalb der Logik des Kapitalismus, der von Dir als Erklärung herangezogen wird. 1. Das jetzige System der Rechteverwertung stellt keinen wirklichen Kapitalismus dar, sondern eine staatliche durchgesetzte Monopolwirtschaft. Dabei will ich nicht beurteilen, ob das in diesem Fall eine angemessene Lösung ist, sondern nur darauf hinweisen, daß sich der Kapitalismus als Wirtschaftsform nicht ganz so deutlich aufzudrängen scheint wie Du annimmst. 2. Ein Zusammenhang zwischen dem massenhaften Kopieren von Musikdateien und den Rückgängen der CD-Verkäufe ist unbewiesen. Tatsächlich hatten Tonträgerverkäufe ihren Höhepunkt als Napster den seinen hatte. Gerade heute wird berichtet, daß unerwünschtes Kopieren den heimischen Musikmarkt in Neuseeland fördert. 3. Der Musikmarkt wird zur Zeit von fünf, bald von vier Konzernen beherrscht, von denen gerichtsbekannt ist, daß sie den Markt illegal manipulieren. Ein Wettbewerb über Preis oder Qualität findet nicht statt, solange alternative Systeme per Gesetz vom Markt genommen werden. 4. Bereits jetzt wird man durch DRM-Systeme faktisch enteignet. In Zukunft kann man vielleicht einem Freund nur dann ein Musikstück vorführen, wenn dieser vorher bezahlt. Andere Dinge, die heute noch weit verbreitet sind, werden ebenfalls Geld kosten. Hier wird also per Gesetz ein Markt für Dinge geschaffen, die bisher frei erhältlich waren. Allerdings bin ich völlig anderer Meinung, soweit es darum geht, daß der Kapitalimus nun mal gesiegt hat und man nun alles hinnehmen muß, was er so bringt. 5. Unsere Wirtschaftsform insgesamt stellt keinen Kapitalismus dar. Nader nennt es treffenderweise Unternehmenssozialismus, denn mehr und mehr werden Gesetze so gestaltet, daß es Unternehmen gut geht, auch wenn sie falsche Entscheidungen treffen. 6. Die breite Einführung von DRM-Systemen hat eine ganze Reihe von gravierenden Nachteilen in kultureller, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Die Vorteile beschränken sich darauf, einer bestimmten Gruppe von unproduktiven Mittelsmännern das Einkommen zu sichern. 7. Mit DRM-Systemen wird schon heute der Vorrat an Wissen manipuliert, der den Menschen zur Verfügung steht. Für mich ist klar, daß man in Zukunft nicht nur für gute Lehrer zahlen soll, sondern auch für Fakten an sich. Die Folgen für die ärmeren Länder sind gerade mal wieder durch den WSIS ins Bewußtsein gerückt. 8. Selbst wenn DRM-Systeme nur wirtschaftliche Konsequenzen hätten, solange sie in freien Gesellschaften angewendet werden, sieht es doch anders aus, wenn die Gesellschaften unfrei sind. Der Fritzchip ist natürliche Konsequenz der jetzigen Systeme und würde es Staaten wie China erlauben, alle mißliebigen Gedanken von Computersystemen zu verbannen. 9. Für besonders fragwürdig halte ich die Ansicht, daß man selbst dann noch kapitalistisch wirtschaften sollte, wenn die Vorraussetzung (Resourcenknappheit) nicht mehr gegeben ist. Das stellt die Grundlage des Kapitalismus auf den Kopf und macht aus ihm nicht mehr als eine weitere Wirtschaftsform, die aus lediglich ideologischen Gründen aufrechterhalten wird. Von diesen Nachteilen betroffen sind natürlich auch Menschen, die keine DRMten Medien kaufen. Ein Boykott ist sicherlich eine naheliegende Sache, reicht aber angesichts der starken Aktivität der Medienkonzerne bei weitem nicht aus. Gegen die zu erwartenden weiteren Anwendungsbereiche (zB. Schulbücher) kann man nicht erst vorgehen, wenn diese eingeführt sind. There has grown in the minds of certain groups in this country the idea that just because a man or corporation has made a profit out of the public for a number of years, the government and the courts are charged with guaranteeing such a profit in the future, even in the face of changing circumstances and contrary to public interest. This strange doctrine is supported by neither statute or common law. Neither corporations or individuals have the right to come into court and ask that the clock of history be stopped, or turned back. - Robert Heinlein, Life-Line Thorsten -- It is exactly because markets are amoral that we cannot leave the allocation of resources entirely to them. - George Soros