Moin, Am Samstag, den 13.11.2004, 20:47 +0100 schrieb David Haller:
Am Sat, 13 Nov 2004, Joerg Rossdeutscher schrieb:
Am Samstag, den 13.11.2004, 16:08 +0100 schrieb Can-Carlo Dörtbudak:
Die Liste mit den Usern bietet Hilfe an, aber nach ihren Spielregeln
/Wer/ ist "Die Liste"?
Im Prinzip wir alle, fuer mich aber doch v.a. die "Regulars", die hier am regelmaessig schreiben (und zwangslaeufig lesen) und die sowas also am meisten betrifft (vgl. mit jemand, der hier nur ein oder ein paar Fragen stellt und dann wieder verschwindet). Und die man mit der Zeit dann auch "kennenlernt".
Die 20 Leute, die am längsten dabei sind? Die 20 Leute, die die meisten Postings schreiben?
Die "20" ist gut ne Groessenordnung zu niedrig, aber achte ruhig mal auf die Schnittmenge der "lang dabei Leute" und "Vielschreiber". Oder lang dir an die eigene Nase :)
Um mal aufzuzeigen, was daran kritisch ist, hier mal eine kleine Metapher: "Wählen darf in Deutschland, wer einen festen Arbeitsplatz hat und ordentlich Steuern zahlt, mindestens sagenwirmal 500€ im Monat. Außerdem muß man sich seine Wahlberechtigung erarbeiten, indem man heiratet und mindestens zwei Kinder macht." Das sind dann eben die "50 Mio. Regulars". Deswegen habe ich ein Problem mit der Grundlage der Legitimation. Zweitens habe ich ein Problem damit, warum überhaupt geregelt werden muß. Bestimmte Regeln sind die "Straßenverkehrsordnung" der Liste und betreffen technische Formate (html), Mengenbegrenzungen (Attachments) oder einfach grundlegende Standards (Re: statt AW:). Das ist völlig unproblematisch und in der Regel auch Wertfrei: Ob man nun rechts oder links fährt ist völlig Latte - Hauptsache alle gleich. Aber warum "Anstandsgesetze"? Ich habe ein Problem damit. Ich habe ein Problem mit den Anstandsregeln in einer Welt, in der BILD die meistverkaufte Tageszeitung ist. Ich habe Mißtrauen gegen Mehrheiten, bei denen die geschlechtliche Konstellation einer fremden Partnerschaft gegebenenfalls größere Abscheu erregt als der Millionenfache Hungertod von Menschen. Ich stelle fest, daß die Menschen um mich herum in beachtlicher Zahl von Zwangsarbeit, Ausweisung, Arbeitsverpflichtung schwadronieren, NPD wählen und auch sonst weitgehend völlig intelligenzbefreit agieren. Nein, nicht alle. Aber viele. Und oft sogar Mehrheiten. Das Resultat sind dumme, dumpfe, nicht problemlösende, brutale Blödheiten wie "Todesstrafe für Kinderschänder!". Als ob plötzlich funktionieren würde, was schon im (diesbezüglich sehr erfindungsreichen) Mittelalter schon keine Verbrechen verhütet hat. Es gibt hierzulande immer (noch! Sie arbeiten dran...) einen relativ lockeres laissez-faire des "Was du nicht willst, was man dir tu". Es ist immer noch ein Unterschied, ob ich Punk nicht mag, oder ob ich Punks von der Polizei von der Straße entfernen lasse. Es ist ein Unterschied, ob ich schwul bin oder ob keiner schwul sein darf. Es ist ein Unterschied, ob meine Freundin sich für Computer interessiert oder nicht, oder ob man sagt "Frauen verstehen nichts von Computern." Es ist ein Unterschied, ob Herr X oder Frau Y überhaupt kein Problem damit haben, ihren Namen im Internet zu verbreiten, oder ob niemand ein Problem damit haben darf - und das alles bitte immer unter Prämisse betrachtet, ob Herr X einen Nachteil davon hat, wenn Frau Y dieses Recht zugebilligt bekommt. Wenn das nämlich gar keine Einschränkung bedeutet, ist es nichts anderes, als aus den persönlichen Lebensvorstellungen ein Gesetz machen zu wollen. Da hängt die Mehrheit Christenkreuze in die Schule. Warum? Weils sie's kann. Weil sie die Mehrheit ist. Es ist eine armselige Form von Mehrheit, die sich selbst dokumentieren muß. Das einzige, was man so dokumentiert, ist ein Mangel an Souveränität. Jawohl, ich habe ein Problem mit Regeln. Und ich halte das für eine meiner positiven Charaktereigenschaften. Jedesmal, wenn jemand sagt "Es doch selbstverständlich, daß ..." oder "Es gehört sich so" oder "Es versteht sich von selbst", dann stellen sich alle meine Nackenhaare hoch. Wenige Dinge sind "selbstverständlich"! Man könnte es ohne religiösen Bezug als "10 Gebote" bezeichnen: Mach keine Leute platt, um einen persönlichen Vorteil zu erringen. Stifte keinen Unfrieden, erzähle keine schmutzigen Lügen, stell deine Karre nicht auf den Behindertenparkplatz. Think before you type. Guck, mit wem du ins Bett steigst. Alles darüberhinaus sind Ausführungsbestimmungen, und es ist zu verlockend, auf denen rumzureiten. Jedesmal, wenn eine Horde Bauern mit Fackeln und Mistgabeln um das Haus von jemandem stehen, der es irgendwie anders sieht oder macht, hat kurz zuvor jemand anders gesagt "Alle machen es so. Nur der Herr X bildet sich ein...". Herr X hat nämlich eine schiefe Nase, und nur das kann der Grund dafür sein, daß dieses Jahr die Ernte schlecht ist. Es ist doch so einfach: - Ich kenne euch nicht. - Ich traue euch deswegen nicht. - Und deswegen will ich euch nicht meinen Namen sagen. Nein, David, du bist nicht gemeint. Ich lese und schreibe mir mit dir und anderen hier seit Jahren. Du bist eine wertvolle Hilfe bei meinen Fontlingen. Aber hier bist nicht nur Du. Hier ist Google, hier sind Arschlöcher, hier sind Adressammler, hier ist vielleicht mein zukünftiger Chef, vielleicht meine Ex-Freundin und vielleicht der Ehemann meiner Geliebten. Vielleicht schreibe ich auch mal was ganz saublödes, was mir hinterher leid tut - und jetzt sage keiner, dann soll ich eben besser vorher nachdenken - denn wenn DAS funktionieren würde, würden wir erstens alle per Gesetz dazu verpflichtet, uns im Alter von 12 Jahren hinzusetzen und zu denken, bis wir 14 sind und danach nie wieder was dummes machen - und zweitens bin ich ein Mensch: Ich bin wütend, ich bin verärgert, ich verändere mich, ich bin überbordend fröhlich oder überengagiert, ich habe auch mal schlecht gefickt oder gut gefeiert, und dann mache ich was dummes, und jeder Hinz und Kunz und Tropf und Trottel kann das mit zehn Tastendrücken bei Google alles rauswühlen. Sowas ist erstmalig in der Menschheitsgeschichte, und das hat einfach so mancher noch nicht begriffen: Alles, was du hier sagst, ist dir wie ins Gesicht tätowiert. Auch dann noch, wenn wir in 20 Jahren keinen Datenschutz mehr haben sollten, in 40 Jahren ein totalitäres Regime oder in 60 Jahren einen FDP-Bundeskanzler - es bleibt. Habt Mitleid! Ja zur Regelung von Kommunikation. Nein zur Verallgemeinerung persönlicher Ideale. Den inneren Stammtisch überwinden. Gruß, Ratti -- -o) fontlinge | Fontmanagement for Linux | Schriftenverwaltung in Linux /\\ http://freshmeat.net/projects/fontlinge/ _\_V http://www.gesindel.de https://sourceforge.net/projects/fontlinge/