Christian Marker:
Mal eine ganz andere Frage, auf die ich beim Durchlesen gekommen bin: Wieso werden eigentlich so selten bewährte Projekte einfach portiert?
Weil noch nix da ist, kommt nix dazu. Ich erzähl mal aus meiner Firma: Wir brauchen -Photoshop -QuarkXpress -Freehand -Illustrator -Filemaker -Office -Acrobat -BBedit Solange die nicht _ALLE_ portiert sind, kommt kein Linux ins Haus. Es heisst dann häufig mal: Nimm OpenOffice, nimm Ghostscript, nimm MySQL, ... Und genau das geht eben nicht. Wenn ich meinem Kunden Faxvorlagen erstelle, wofür er vierstellige Summen bezahlt, dann mache ich das auf exakt dem gleichen Betriebssystem, das auch er hat, mit exakt der gleichen Office-Version. Ich würde nichtmal Office für Mac verwenden, wenn er Office für Windows benutzt - geschweige denn, daß ich jetzt mit OpenOffice oder StarOffice rumhantieren täte. Ich muß meinem Kunden garantieren, daß jeder i-Punkt an der exakt gleichen Stelle steht. Es nützt mir nichts, das Ghostscript ein gutes Programm ist, daß zu 98% das gleiche kann wie Acrobat. Denn die restlichen 2% der Jobs enthalten nunmal MultipleMaster-Fonts, Chinesische Schriften, CustomEncoded Characters, HKS- oder Pantonefarben. Datenbanken programmieren wir mit der Maus: Filemaker. Das muß man einfach nicht so intensiv lernen. Wenn man etwas von Computern versteht, programmiert man das einfach los. Unsere Filemaker-Scripte werden in Kleinigkeiten einfach in der Buchhaltung geändert - und die Leute, die da arbeiten, haben nicht mal einen Computer zu Hause. Wieso soll ich mir da MySQL ins Haus holen? Damit wir nichts mehr selber machen können? Brauchbare DTP/Grafikprogramme gibt es unter Linux überhaupt nicht. (Nein, auch GIMP nicht, wer widersprechen möchte, schaut bitte erstmal ins Archiv) Ich will das System nicht schlechtmachen, zuhause und im Serverbereich nutze ich es ja auch - aber ohne Portierungen (Nicht: Brauchbarer Ersatz!) der bisher benutzten Software ist unser Betrieb _Lichtjahre_ vom Linux-Einsatz entfernt. Zum Vergleich: Alle diese Programme gibt es bereits unter Windows. Trotzdem ist es eine entsätzlichen Quälerei, ein normales Quark-Dokument von einer Plattform auf die andere zu hieven. Andere Fontformate, andere EPS-Previews, anderes Dateisystem (FileType vs. Extensions). Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn diese Portierungen auf Linux kommen würden, da sie ja auch Dank MacOS X in den Bereich des technisch machbaren gerückt sind - aber wie gesagt: Solange diese Programme nicht _alle_ portiert sind, kaufen wir keine einziges. Wer sollte dieses Risiko also eingehen? Zumal der typische Linuxadmin/user lieber zwei Tage lang Sourcen kompiliert und Software testet, statt einmal ordentlich in die Tasche zu greifen und eine bewährte Lösung zu kaufen. Sparen ist Linuxers Lieblingssport. ;-) Es gibt da noch eine andere Einschränkung. Die mag für die meisten Firmen (leider!) nicht so gelten, bei uns wäre es sicherlich wichtig: Linux sieht einfach Scheisse aus. Mir fehlt jetzt die technische Diktion, es richtig auszudrücken. Es muß wohl was zu tun haben mit diesen Windowmanagern, Desktops, Widgetsets - was ich eben alles noch nicht so verstehe. Es gibt anscheinend zahlreiche dieser Programme, aufgrund derer jede Applikation anders aussieht. Und anscheinen gibt es keine Möglichkeit, daß _alle_ Programme gleich aussehen. Nun habe ich endlich in den meisten Programmen Fenster mit abgerundeten Ecken - da geht schoin wieder was anderes auf, das hat Buttons wie Garagentore, oder der Mauszeiger wird gespiegelt, während ich im Menü bin, oder ich habe verschiedene Schriften, oder... Leider sind die meisten Linuxer anscheinend Funktionalisten und keine Ästheten. OK. Geschenkt. Aber so, wie es im Augenblick aussieht, werde ich in der Firma ausgelacht, bevor ich nur eine einzige Programmfunktion demonstriert habe. Alles ist irgendwie viel zu groß. Es gibt keine Themes, die sich _global_ aus _alle_ Prgramme gleich auswirken. Die Themes, die es gibt, sind in der Regel von Wahrnehmungsbehinderten gemacht: Gelbe Fensterelemente auf schwarzem Grund. Alles sieht irgendwie Klingonisch oder "witzig" aus. Wir reden hier über Leute, die bilden eine Schlange vor einem Rechner, auf dem ein Streamingvideo läuft, in dem live aus USA gezeigt wird, wie der neue Mac aussieht, und die diesen komischen Klappstuhl begeistert bejubeln und nichtmal _wissen_, was ein "Megaherz? Sagt man das so?" ist - Die Windows deswegen nicht benutzen, weil sie es hässlich finden und die Bedienung schwierig, und die MacOS 9 benutzen, weil OS X einfach zu kompliziert ist. Soll ich denen wirklich ein Suse X.Y hinstellen, auch wenn es Photoshop, Quark & Co. gäbe? Ich denke nein. Und ich denke, damit es ihnen gefällt, müsste man Linux so sehr verändern, daß es _mir_ nicht mehr gefällt.
Es muss sich ja nichtmal um ganze Softwareprogramme handeln. Es fängt ja schon beim Web-Surfen an. Ich weiss nicht, wie das bei euch ist, aber bei mir läuft Flash unter Linux wesentlich schlechter als unter Windows.
Geht so. Mein Rechner ist ordentlich fix. Aber FLashplayer 6 (für FlashMX) gibt es mal wieder nur für Mac und Windows. Es ist doch kein Wunder. Solange ein erheblicher Bestandteil der Linux-User sogar JavaScript abschaltet (Lieber tät ich meinen Rechner verschenken als das zu tun), wieso sollte Macromedia sich da so reinhängen? Wenn innerhalb einer Randgruppe nur eine kleine Gruppe als Zielgruppe interessant ist?
Fakt bleibt aber, dass ich mich unter Linux mit einem minderwertigen PlugIn zufrieden geben muss, während ich mich unter Windows an den abgefahrensten Multimedia-Orgien ergötzen kann.
Ja. Seufz...
Bei Browserplugins fängt das ganze aber erst an. Was ist denn mit Audio- und Video-Codecs? Die wenigsten werden auf Anhieb laufen. Ich kann bis heute noch keine AVIs angucken und MIDIs ahören (wobei letzteres wohl nur ein Konfig-Problem ist...)
Ja. Jammer! Ich habe meinen Rechner inzwischen so weit, daß der überwiegende Teil läuft. Aber eben nicht alles, und das nervt _gewaltig_. Gruß, Ratti -- http://www.gesindel.de | Fontlinge | Die Schriftenverwaltung für Windows